Ich erlebe oft, dass selbst ambitionierte Hobbyköche sich mit stumpfen Messern durch den Kochalltag quälen. Das ist für mich undenkbar.
Messer sind die wichtigsten Werkzeuge für die Zubereitung und sollten in der Lage sein, eine Tomate zu schneiden, ohne diese zu quetschen oder beispielsweise Längs- und waagrechte Schnitte in eine Zwiebel zu setzen, um sie danach quer ganz fein zu würfeln. Oder Fleisch zu parieren, ohne das Fleisch zu zerstören.
Dass Messer beim Benutzen einem Verschleiß unterliegen und stumpf werden, ist nachvollziehbar. Man kann dann die Messer einem Messerschleifer geben (früher hießen die auch Scherenschleifer und zogen von Haus zu Haus). Aber dann ist das Messer erst mal weg und kann nicht benutzt werden.
Daher ist selbst schleifen eine brauchbare Alternative. Hierbei gibt es viele Methoden und Wege, ich will hier nur mal eine Option aufzeigen und habe nicht den Anspruch, eine komplette Übersicht zu bieten.
Eine Betrachtung vorweg: nicht alle Messer lassen sich so optimal schleifen. Die Methode eignet sich nicht für Keramikmesser (eigentlich logisch, aber ich sag es lieber dazu) und hat ihre Grenzen bei sehr harten Stählen. Am Besten lassen sich ältere Modelle mit höherem Eisenanteil und weniger Legierungsbestandteilen schleifen. Aber auch neue, hochwertige Messer mit gut abgestimmten Stählen lassen sich so schärfen. Billigmesser mit Industrieschliff muss man zunächst recht mühsam auf den eigenen Schleifwinkel „umschleifen“. Falls der Stahl nicht zu hoch legiert und hart ist, geht das einigermaßen gut von der Hand und lohnt sich auch.
Was braucht es dazu?
Schleifsteine verschiedener Körnungen, um Grob- und Feinschliff durchführen zu können. Meine Steine haben 300/ 600 (Wendestein), 1000 und 3000 als Körnung. Die Körnung bezeichnet die Feinheit des Schleifmittels, das im Stein gebunden ist. Je höher die Zahl, umso feiner der Stein.
Der richtige Winkel ist wichtig
Zunächst ein Wort zum Schneiden- und Schleifwinkel. Der Winkel der Schneide ist i.d.R. doppelt so groß wie der Schleifwinkel (Ausnahme: japanische Messer: da diese nur einseitig geschliffen werden, ist hier der Schneidenwinkel = Schleifwinkel). Für Küchenmesser setzt man einen Schneidenwinkel von 25° bis ca. 30° an. Hackmesser sollten zwischen 30° und 40° liegen, da diese größere mechanische Kräfte aufnehmen müssen und breite Schneidwinkel stabiler sind. Unter 20° finden sich dann sehr feine Schneiden, wie z.B. medizinische Skalpelle oder Rasiermesser – die relativ schnell stumpf werden. Ich selbst schleife meine Messer mit einem Winkel von ca. 15°, also stelle ich einen Schneidenwinkel von 30° her, der sich im Küchenalltag bestens bewährt.
Das Messer muss beim Schleifen während des gesamten Vorgangs exakt in diesem Winkel zum Stein gehalten werden. Verändere ich den Winkel, bekomme ich eine ungleichmäßige Schneide – daher ist Präzision wichtig.
Die Technik des Schleifens
Beim Schleifen wird das Messer im gewünschten Winkel mit der Klingenspitze an der unteren rechten Ecke des Schleifsteins angesetzt und dann den Schleifstein entlang nach oben verschoben. Dabei bewegt man das Messer so weit gleichmäßig nach links, dass das Ende der Klinge an der oberen rechten Ecke des Steins zum Stehen kommt.
Dabei übt man einen stetigen Druck auf das Messer aus. Dann zieht man das Messer ohne Abzusetzen in gleichmäßiger Bewegung wieder zurück zum Ausgangspunkt rechts unten (diese Anleitung gilt für Rechtshänder, Linkshänder halten den Griff mit der Linken und vertauschen bitte gedanklich einfach die Seiten).
Die Rückseite wird ähnlich geschliffen; hierbei wird das Messer gewendet und entsprechend von der Klinge her betrachtet, mit dem Klingenende (Griffseite) rechts oben angesetzt und dann zur Klingenspitze nach rechts unten bewegt. Auch hier fahren wir den gleichen Weg – ohne abzusetzen oder dabei den Winkel zu verändern – wieder zurück.
Nach Abschluss der zweiten Seite dreht man das Messer final und schleift noch 2-3 um den Grat zu brechen. Dann wechselt man zum nächsten Stein.
Nach dem Schleifen reinigen Sie das Messer mit klarem Wasser und entfernen das Schleifmittel.
Die Reihenfolge der Steine
Logischerweise schleift man von grob nach fein. Gut geschliffene Messer, die man nicht allzu stumpf werden lässt, kann man i.d.R. mit dem 1000er Stein nachschärfen und mit dem 3000er glätten. Die groben Steine benötigt man eigentlich nur bei Messern mit härterem Stahl und beim allerersten Schliff. Um ein aufwändiges Nachschleifen zu Vermeiden, sollte immer dann geschliffen werden, wenn die Schärfe spürbar nachlässt (und nicht, wenn das Messer schon stumpf ist).
Schneiden Sie im Übrigen nie auf Glas oder Stein, sondern nur auf Holz- oder Kunststoffbrettern, sonst verschleißen die Schneiden deutlich schneller. Spülen Sie außerdem die geschärften Messer nur von Hand und nicht in der Spülmaschine, das erhält Ihnen die Schärfe ebenfalls und teure Naturholzgriffe werden dabei auch geschont.
Wer Muse hat, bastelt sich ein Schleifbrett, in das die Steine eingespannt werden können. Dann haben die Steine Halt und können schnell nacheinander ohne Umrüsten benutzt werden.
Schleifsteine muss man Wässern
Bevor es dann schließlich los geht, müssen die Steine für ca. 20 min. ins Wasser, denn sie sind für das Nassschleifen ausgelegt. Dabei ensteht nach kurzer Nutzung ein feiner Schlamm, der den Schleifvorgang unterstützt. Legen Sie den Stein nach jedem Durchgang wieder kurz ins Wasser und „laden“ Sie ihn so wieder auf.
Ich habe mich gestern durch alle meine Lieblinge geschliffen und bin nun wieder vorbereitet – für die nächste Küchenschlacht.
Aller Anfang ist schwer
Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn es nicht gleich klappt und fangen Sie mit einem günstigen Messer an, bevor Sie sich als erstes Ihr 12-fach gefaltetes Santoku vornehmen und die Klinge versauen.
Wenn Sie Geduld aufbringen, kommt die Geschwindigkeit von alleine. Es ist ein erhebendes Gefühl, wenn Sie Ihr Messer scharf haben und sich danach durch alle Materialien wie durch Butter schneiden können.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Nachmachen und eine ruhige Hand!
Und verletzen Sie sich nicht – vor allem sollten Sie nach erfolgreichem Schliff Ihre Schneidetechnik auf eventuelle Leichtsinnigkeiten untersuchen, die der zu lange Umgang mit stumpfen Messern manchmal hervorbringt!
Nachtrag: Matthias, ein echter Schleifmeister (er liebt alte Rasiermesser, so á la „Demon Barber of Fleet Street“), hat mir noch 2 Tipps gegeben:
1. Wer den Winkel nicht einhalten kann/ will, der greife auf eine Schleifhilfe zurück
2. Wer Rost auf der Klinge hat, kann diesen mittels Rostradierer entfernen
Danke an Matthias, für die ergänzenden Tipps!
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